Es ist leider immer noch so, dass man sich bei Kaninchen keine
ernsthaften Gedanken macht, welche Schaden die Psyche von betroffenen Kaninchen nehmen können.
Verursacher ist immer der Mensch, auch wenn man lieber glauben mag, dass man nur das
Beste für seine Kaninchen möchte.
Ich lese leider vermehrt in Foren oder diversen Kaninchengruppen teilweise Beiträge
bei dem Thema Vergesellschaftung, welche mir das Herz bluten
lassen.
Vielleicht gut gemeinte Ratschläge gehen in der Menge der Anfrage eher unter und
helfen nicht wirklich den Kaninchen und vor allem den Besitzern in einer wirklich schwierigen Phase.
Es wird nicht gefragt ob der/die Halter Kaninchen erfahren sind oder ob es sich
hierbei vielleicht um Kinder handelt und es wird auch nicht darüber nachgedacht, dass hier Menschen mit lesen und ein völlig falsches Bild bekommen können.
Leider wird oftmals auch nicht an die Kaninchen selbst gedacht und man muss sehr oft
lesen:
"Das sind nun mal Kaninchen und die klären ihre Rangordnung so. Ich würde diese nicht
trennen, wenn kein Blut fließt" ...
Das hier durchaus öfter mal etwas mehr Feingefühl nötig ist und man viel mehr
hinterfragen sollte, geht oftmals völlig unter.
Ich habe seit über 20 Jahren Kaninchen und blicke seit dem Jahr 2010 auf knapp 100
Vergesellschaftungen zurück, die ich mit betreut habe.
Seit Jahren lese ich immer wieder im Internet bei Beschreibungen von Zusammenführungen
schon aus eigenem Interesse mit.
Ich habe sicherlich durch meine enge Arbeit mit so vielen Tieren, eine etwas andere
Sichtweise in all der Zeit entwickelt und diese möchte ich hier gerne einmal darlegen:
Wie arbeitet der Kaninchenraum bei
Vergesellschaftungen?
Dass sich die Besitzer unheimlich schwer damit tun, zu sehen wie ihre Kaninchen sich
bekämpfen, Fell ausreißen etc. war mir recht schnell bewusst.
Aber am meisten fasziniert mich noch immer die unterschiedliche Art der völlig
unterschiedlichen Kaninchencharaktere und ihren Umgang mit dem Partner/den Gruppentieren während einer Vergesellschaftung.
Mir wurde schnell klar, dass es keine all-inclusive-Lösung für eine Zusammenführung
gibt, sondern jede Vergesellschaftung eine eigene Dynamik hat.
Jedoch war mir sehr schnell bewusst, das Kaninchen ebenso ein Schmerzgefühl haben wie
andere Tiere oder auch Menschen.
Wenn Kaninchen Wunden von einer
Vergesellschaftung davon tragen, empfinde ich das nicht als Bagatelle, sondern denke ernsthaft darüber nach, eine Vergesellschaftung ab zu brechen. Und diese Entscheidung treffe ich dann im Sinne
der Kaninchen und nicht nach Wunsch eines Menschen.
Man sollte sich bitte immer vorab fragen,
warum denn noch einmal ein zusätzliches Kaninchen zu einem Pärchen oder in eine Gruppe dazu soll. Wenn ein Pärchen Probleme miteinander hat oder nicht so harmonisch miteinander lebt, sollte man
eventuell erst einmal nach der Ursache suchen und nicht noch zusätzliche Kaninchen dazu setzen.
Meine Erfahrung zeigt, dass es immer eine Ursache für
Verhaltensauffälligkeiten gibt.
Sicherlich gibt es immer Ausnahmen, wo alles perfekt klappt
und harmoniert und selbstverständlich freut mich das auch für diese Kaninchen.
Eine Vergesellschaftung ist in der Regel nicht abgeschlossen, nur weil die Kaninchen
nach ein paar Tagen miteinander fressen oder sich gegenseitig putzen, auch wenn man das vielleicht nicht gerne hören mag. Die Natur hat da ihre eigenen Regeln und dies ist auch völlig in Ordnung.
Hier ist dann erst einmal nur der Grundstein für ein harmonisches Miteinander gelegt.
Wenn ich die Kaninchen zusammen setze, dann bleibe ich lange
Zeit dabei und schaue mir die Reaktionen der Kaninchen genau an:
Gehen die Kaninchen gleich aufeinander los?
Ist ein Kaninchen aggressiver als das andere?
Ist ein Kaninchen extrem ängstlich oder schreit sogar vor Panik?
Wer zeigt mehr Dominanzverhalten?
Wie schlimm beißen sie sich bzw. wird nur gezwickt oder richtig
gebissen?
Was zeigt mir die Körpersprache der Kaninchen?
Ich schaue mir das sehr genau an und versuche zu analysieren, was zwischen den
Kaninchen gerade passiert und wie deren Kommunikation untereinander abläuft.
Es ist selbstverständlich auch bei mir niemals ausgeschlossen, dass es zu schlimmen
Wunden kommen könnte.
Das kann sehr schnell passieren, noch bevor man dazwischen gehen kann oder auch erst nach ein paar Tagen/Wochen, wenn man nicht zu Hause ist.
Daher ist es sehr wichtig, vor allem in der Vergesellschaftungsphase mehrmals täglich
die Kaninchen auf Wunden zu untersuchen.
Augen, Ohren, Nase, Geschlechtsteile, aber auch der Rest des Kaninchenkörpers absuchen
nach Wunden, damit schnell eine Wundversorgung stattfinden kann und sich keine Entzündung entwickelt.
Ich kläre vor einer Vergesellschaftung die Besitzer immer auf, was im schlimmsten Fall
passieren kann. Dies sehe ich als meine Pflicht an.
Es sind nach wie vor Tiere, die ihre eigene Art haben und man kann niemals
voraussehen, wie sich eine Vergesellschaftung schlussendlich entwickeln wird.
Gibt es Anzeichen / Verhalten der Kaninchen bei denen ich eine
Vergesellschaftung abbreche?
Ein klares Ja!
- Wenn ich sehe, dass ein Kaninchen aggressives Verhalten zeigt, was vermutlich nicht
auf die Vergesellschaftung an sich zu schließen ist, dann
breche ich ab. Hier muss dann zuerst der gesundheitliche Zustand des Kaninchen
gecheckt werden.
- Wenn ein Kaninchen einem anderen Kaninchen direkt ins Gesicht beißt, breche ich ab.
Hier gilt es tatsächlich zu unterscheiden, ob richtig gebissen
wird und das Kaninchen tatsächlich verletzen möchte oder ob nur gezwickt wird, denn
das sind für mich ganz deutliche Unterschiede.
- Wenn eine Bissverletzung eine Fleischwunde hervorruft die genäht oder getackert
werden muss oder aber ein Stück Ohr/Nase eingerissen/abgebissen wird,
breche ich eine Vergesellschaftung sofort ab.
- Wenn ich bei einem Kaninchen merke, dass ein Trauma vorliegen könnte und die
Vergesellschaftung dieses in dem Fall verschlimmert, breche ich
ab.
Wer jetzt glaubt, dass ich zimperlich bin, der täuscht sich. Ich habe in all den
Jahren noch keine handvoll Vergesellschaftungen abbrechen müssen.
Und es ist keinesfalls so, dass ich nur einfache und stressfreie Zusammenführungen
hatte.
In den meisten Fällen kommen Besitzer erst zu mir, wenn mindestens eine
Zusammenführung gescheitert ist oder es bereits böse Wunden gab.
Je mehr Zusammenführungen ich betreue umso mehr achte ich auf die Kaninchen und ihre
eigene Sprache und versuche zu verstehen, woran es liegen mag, wenn Aggressionen im Spiel sind.
In der Regel ist es auch relativ einfach, denn meist ist eines der Kaninchen krank
oder hat Schmerzen.
Mit Aggressionen meine ich das Verhalten, was über ein normales Verhalten während
einer Vergesellschaftung hinaus geht. Ich kann Aggressionen bei Kaninchen inzwischen erkennen.
Man muss sich selbstverständlich die Zeit nehmen, heraus zu finden, wo das Problem
verankert ist, denn nur so kann man es lösen und schlimmeres verhindern.
Wann greife ich nicht ein bei einer Vergesellschaftung bei
Kaninchen?
- Wenn Fell gerupft wird, die Wunden dabei aber nur oberflächlich sind
(Schürfwunden)..
- Wenn die Kaninchen sich gegenseitig anspringen.
- Wenn sich die Kaninchen gegenseitig kneifen.
- Wenn sich die Kaninchen mit Urin bespritzen.
Selbst wenn eine Vergesellschaftung "harmloser" aussieht, kann
sich ein Kaninchen dennoch verletzen, daher sollte man alleKaninchen immer mehrmals täglich (mindestens 2-3 Mal) kontrollieren.
Selbst kleine Wunden können sich schlimm entzünden oder zu Abszessen führen und auch
ein ausgerissener Zehennagel tut einem Kaninchen weh.
Bisher liege ich mit meiner Arbeitsweise bei einer sehr guten Quote, daher gibt mir
meine Erfahrung, die ich mit den Kaninchen bei mir gemacht habe auch Recht.
Zusätzlich höre ich immer auf mein Bauchgefühl.
Am wichtigsten ist das, was mir die
Kaninchen selbst mitteilen durch ihr Verhalten!
Denn ich werde immer versuchen im Sinne der Kaninchen zu handeln und bin dafür verantwortlich, dass kein Kaninchen ernsthaft zu Schaden kommt.
Dies sehe ich als meine Pflicht
an.
Bei Fragen, kann man mich gerne über das Kontaktformular anschreiben.
Herzliche Grüße
Tanja
© Kaninchenraum 06/2020
Hier wurden 3 Kaninchen sehr böse verletzt, weil es Unruhe gab in einer Gruppe.
1 Häsin musste an 3 verschiedenen Stellen großflächig genäht werden, weil ihr die Haut aufgerissen wurde und 2 Jungs wurden je einmal ebenso großflächig genäht.
Das ist für die Kaninchen eine traumatische Erfahrung.
Herzlichen Dank an Celine Grabow, für das zur Verfügung stellen der Fotos.