Kaninchen mit Handicap & ich

Wie kam ich eigentlich zu Kaninchen mit Handicap?

Ich wurde damals von einer Bekannten angesprochen, ob ich nicht Susi, ein E.C. Kaninchen mit schiefem Kopf, als Pflegestelle nehmen könnte.

Susi war 2008 geboren und hatte 2009 einen schweren E.C. Schub, den sie zum Glück nach wochenlanger, intensiver Pflege und den richtigen Medikamenten gut überstand.
Sie lebte alleine in Käfighaltung und bekam das übliche Trockenfutter.

Ich muss gestehen, dass ich damals (2011) noch nie von der Krankheit E.C. gehört hatte, und als ich die Fotos von Susi sah, wurde mir schon irgendwie anders.
Ich denke, es ist schon ein Unterschied, ob die eigenen Tiere krank werden und man so hineinwachsen muss, oder ob man sich bewusst für ein Tier mit einem Handicap entscheidet.
Ich hatte zwei schlaflose Nächte wegen Susi und habe mich im Internet von oben nach unten und von links nach rechts gelesen.

Dann die Entscheidung - Susi darf vorübergehend zu mir und wird dann wieder vermittelt.
Das war am 09.01.2011.

Als Susi dann tatsächlich hier ankam, war es erst einmal nicht einfach für mich. Das sieht schon sehr krass aus, wenn der Kopf so völlig anders ist, als bei anderen Kaninchen. Die eine Seite des Kopfes zeigte ja komplett nach unten rechts.
Zudem lief Susi immer mal im Kreis, fiel hin und wieder einfach um (sie rollte dabei), stand dann sofort wieder auf und hoppelte weiter.



Was ich aber recht schnell sehen konnte - Susi hatte Power und Lebenswillen.

Ich ließ sie dann erst einmal ein paar Tage ankommen und ging dann mit ihr zum Tierarzt, da ich wissen wollte, was er zum Thema "Lebensqualität" meint.
Er bestätigte mir dann, dass sie soweit in einem guten gesundheitlchen Zustand wäre und dass eben nur der Kopf schief wäre.
Er selbst hätte allerdings so eine schiefe Haltung noch nicht gesehen (ging mir dann bei weiteren Tierärzten auch so).

Es wurde dann noch festgestellt, dass sie eine Augenentzündung hatte in dem Auge, welches immer nach unten zeigt, wahrscheinlich, weil sie eben oft auf dieser Seite mit dem Kopf auf dem Boden lag.


Außerdem war der Genitalbereich etwas gerötet, hier wurde dann erst einmal unnötiges Fell weggeschnitten und alles richtig sauber gemacht.

Die Zähne waren zum Glück in Ordnung, dies war auch noch eine Befüchtung von mir, wegen der extremen Schiefhaltung des Kopfes.

Susi war etwas pummelig, das Fell sah struppig aus und sie machte sich ihren Popo nicht richtig selbstständig sauber.
Sie hatte laut den Vorbesitzern oft Durchfall.
Stubenrein war sie auf Grund ihrer E.C. Krankheit auch nicht. Diese schlägt sehr oft auf die Nieren und die Leber des E.C. Kaninchens.

Nach und nach stellte ich das Futter um und sie hatte bei mir dauerhaft mehr Platz zur Verfügung als der Käfig, den sie kannte.


An ihr "Gerenne" durch das Gehege musste ich mich auch erst einmal gewöhnen, denn sie war sehr unruhig.
Sie ließ sich unglaublich gerne streicheln und genoss die menschliche Zuwendung sehr.

Aber mir wurde sehr schnell klar - es muss ein Partner her!

Ich muss gestehen, dass ich anfangs nicht so wirklich wusste, nach was ich suchen soll.
Viele Kommentare zum Theam E.C. ließen eigentlich durchblicken, dass man E.C. Kaninchen bitte nur zu E.C. Kaninchen setzen sollte.
Jedoch schien ja die Krankheit nur in der Anfangs- und Akutphase ansteckend zu sein und zudem bei sehr vielen Kaninchen trotz keinerlei Auffälligkeiten im Körper vorhanden.
Also entschied ich mich dieses Mal bewusst für ein Kaninchen mit einem Handicap, jedoch nicht für ein weiteres E.C. Kaninchen.

Nach intensiver Suche hatten wir (ich hatte Hilfe bei der Partnersuche) den passenden Partner auch gefunden.

Basti hieß der hübsche Kerl und er hatte das rechte Hinterbeinchen amputiert bekommen, nachdem er bei einem Sturz einen Trümmerbruch erlitt.




Die Vergesellschaftung lief zum Glück recht unspektakulär.
Ich war extrem aufgeregt, da ich solche eine Vergesellschaftung, also mit Handicapkaninchen, noch nie erlebt hatte.



Susi hatte Basti immer wieder berammelt, aber es gab keine Beißerei oder sonstigen größeren Stress.
Allerdings merkte man ihr deutlich an, dass sie sehr aufgeregt war über den neuen Kaninchenmann an ihrer Seite.

Es dauerte dann auch nicht lange und man sah die ersten Kuschelbilder.


Die beiden zeigten mir hier auf ganz besondere Weise, wie wichtig ein Partnertier auch oder vor allem für kranke und gehandicapte Kaninchen ist.

Bilder sagen da mehr als 1000 Worte ausdrücken könnten:



Susi machte unglaubliche Fortschritte mit Basti an ihrer Seite.
Sie putze sich plötzlich selbst den Popo sauber (sie hatte durch die Futterumstellung auch etwas abgenommen), ihr Fell sah nicht mehr so stumpf aus und wurde richtig weich.
Sie wurde etwas ruhiger in ihrem Wesen und auch sonst merkte man sehr, wie gut es ihr tat, dass sie nicht mehr alleine war.


Durch die Futterumstellung (weg vom Trockenfutter) war auch ihr Durchfall bald komplett verschwunden.
Ihre Haltung hatte sich auch etwas gebessert und das untere linke Auge musste nicht mehr ständig sauber gemacht werden, da sie dieses scheinbar nicht mehr so oft direkt auf dem Boden ablegte.
Und erst nach sehr vielen Wochen konnte ich sie das aller erste Mal richtig ausgestreckt und entspannt liegen sehen und muss gestehen, dass ich Tränen in den Augen hatte, weil es für mich ein so unglaublich schönes Gefühl war,
sie so verdammt entspannt liegen zu sehen.


Am 09.03. 2012 beschloss ich dann Susi und Basti mit meinen beiden gesunden und nicht gehandicapten Kaninchen zu vergesellschaften und spätestens da war auch klar, dass sie nicht mehr vermittelt werden würden.
Auch diese Vergesellschaftung lief recht problemlos und ohne schlimmere Attacken.


Susi integrierte sich recht schnell und trotzdem war noch deutlich zu sehen, dass sie zu Basti gehörte.

Auch in der Kaninchengruppe machte Susi noch einmal deutliche Fortschritte.
Zum Beispiel ging sie igendwann auch auf den Balkon mit hinaus (im Sommer dürfen die Kaninchen diesen zusätzlich nutzen), oder kam mit den anderen Kaninchen mit in die Küche um sich Leckerchen abzuholen.

Aber das schöste Foto von Susi, war dann doch dieses hier:


Völlig entspannt und angekommen im neuen Zuhause in einer Kaninchengruppe mit insgesamt vier Kaninchen.
Und vor allem, sie lag auf der linken Körperseite, was ich nie zuvor bei ihr gesehen hatte.

Leider starb Basti im Mai 2013 und Susi blieb mit den beiden gesunden Kaninchen Hope und Kenai zurück.
Eine Weile, nachdem Basti nicht mehr da war, gab es plötzlich Stress in der Gruppe. Ich hatte schon oft gehört, dass eine Dreierkonstellation bei Kaninchen eher problematisch sein könnte, und hatte hier die Befürchtung, dass ich Susi wieder von den beiden trennen und einen neuen Partner suchen muss.
Hope mobbte Susi etwas und zeigte ihr somit ganz klar, wer das Sagen in der Gruppe hat. Kenai ließ sie größtenteils in Ruhe.
Es waren auch keine Wunden oder Kratzer etc. zu sehen, sondern Hope scheuchte Susi durchs Gehege, ließ sie nicht gleich an den Futternapf und Ähnliches. Jedoch wurde auch wieder gekuschelt.
Ich ließ es einfach zu und hoffte, dass die Zeit die neue Rangordnung wieder herstellen würde und die Kaninchen ihr Problem unter sich klärten,
hatte aber immer ein Auge auf das Ganze.
Zum Glück legte sich das Mobbing dann innerhalb zwei oder drei Wochen wieder.
Und die drei sind zu einem ganz tollen Trio geworden, in dem Susi voll integriert ist.





Außerdem finde ich, dass ihre Kopfschiefstellung sich tatsächlich noch einmal verbessert hat, auch wenn kein Arzt jemals damit gerechnet hätte und ich selbst am Wenigsten. Dennoch ist ihre ganze Motorik noch einmal besser geworden, auch wenn der Kopf ihr Leben lang schief bleiben wird.


Leon & Findi

Nach Susi und Basti kamen dann 2013 noch Leon und Findi über das Tierheim in Karlsruhe als Pflegekaninchenvom Kaninchenschutz e.V. zu mir.
Leon



Leon kam eigentlich über einen Umweg zu mir. Ich sollte ihn im März 2013 mit einer netten Kaninchendame vergesellschaften.
Jedoch fiel mir mir von Anfang an auf, dass er nicht viel auf den Rippen hatte und ich fühlte Umfangsvermehrungen (Tumore) an seinem Körper und nachts sah ich Würmer in seinem Kot.
Der Gang zum Tierarzt am nächsten Tag bestätigte mir meine Vermutungen. Er hatte Untergewicht, Würmer, Tumore, sah nicht mehr so gut und war auch schon ein älteres Kaninchen.
Bei all den Baustellen tat sich der Besitzer schwer, aus Angst, er könne dem kleinen Herzensbrecher nicht gewachsen sein, und so entschloss ich mich, ihn in meine Obhut zu nehmen und der Kaninchenschutz e.V. unterstütze mich hier zum Glück ganz toll dabei.

Nachdem Leon schon eine Weile bei mir lebte, wurde bei ihm zusätzlich Spondyarthrose diagnostiziert.

Der Versuch, ihn in meine vorhandene Dreiergruppe (Hope, Kanei & Susi) zu integrieren scheiterte daran, dass Hope ihn immer wieder mobbte und ihn durch die Gegend jagte, was für seine Spondylarthrose nicht förderlich war. Daher nahm ich Leon nach ca. 4 Monaten aus der Gruppe raus.
Zu dem Zeitpunkt lebte Findi dann schon bei mir als Pflegekanicnhen. Und da Leon und Findi aus dem gleichen Tierheim stammten, habe ich beide vergesellschaftet und dies war für beide die große Liebe.

Leider musste Leon im Juli 2014 über die Regenbrogenbrücke gehen, da er einfach keine Kraft mehr hatte.

Findi

Findi saß, bevor sie zu mir kam, schon drei Jahre lang im Tierheim Karlsruhe. Zuletzt dann auch nur noch alleine.
Als sie herzkrank wurde und sich zudem ein Lungenödem gebildet hatte, fragte man mich, ob ich nicht helfen könne.

Und so nahm ich Findi, wieder mit Hilfe des Kaninchenschutz e.V. bei mir auf.



Findi bekam dann anfangs ein Herzmedikament und Entwässerung und es ging ihr rasch besser. Jedoch kamen auch bei ihr noch andere Baustellen zum Vorschein, wie fehlende Augenlider an beiden Augen, Augentrübung und Zahnprobleme und zu guter Letzt nun auch noch ein Lungenproblem.

Findi lebte zusammen mit ihrer großen Liebe Leon. Als dieser gehen musste, habe ich mich wieder nach einem Kaninchen mit einem Handicap umgesehen und so kam ich zu Casey.

Casey

Als Leon im Juli 2014 starb, brauchte Findi wieder einen neuen Partner, da sie in meiner Vierergruppe trotz kurzem Versuch nicht zu integrieren war.
Es war für Susi extremer Stress, da Findi sehr aggresiv auf die Kaninchenmädels reagierte und Findi hatte mit ihrem Lungenproblem arg zu kämpfen während dem Vergesellschaftungsversuch.
Also entschied ich mich für ein einzelnes männliches Partnertier und suchte wieder nach einem Kaninchenmännchen mit einem Handicap.
Hierbei stieß ich dann auf Casey, der auf dem linken Auge blind ist und wohl auch eine Zahnproblematik hat.


Ich lerne mit jedem neuen Kaninchen, welches in mein Leben tritt und jedem neuen Handicap immer wieder dazu und es tut so unglaublich gut zu sehen, wie die Kanichen sich entwickeln und wie sie aufblühen, wenn sie vorher kein so schönes Leben hatten.

Heute weiß ich, dass ich genau diese Aufgabe übernehmen möchte.
Kanichen mit einem Handicap oder Verhaltensstörungen zu helfen.
Denn genau diese Kaninchen, haben es unglaublich schwer in der Vermittlung, da man sich an das Thema nicht so einfach ran traut und wahrscheinlich auch etwas Angst hat, dass man etwas falsch macht.

Ich muss aber auch gestehen, dass es oft nicht einfach ist und es eine Achterbahn der Gefühle und Emotionen ist, wenn die Kaninchen zusätzlich krank werden oder die vorhandenen Beschwerden sich verschlimmern und ein Tier stirbt oder man es auf seinem letzten Weg begleiten muss.
Darüber sollte man sich auf jeden Fall im Klaren sein, denn manchmal macht es dann einfach keinen Spaß mehr, sondern man ist einfach nur noch unendlich traurig und mag nie wieder diesen Schmerz spüren.



Inzwischen gibt es zum Thema Kaninchen mit Handicap auch eine Gruppe auf Facebook HANDICAPKANINCHEN.

Gerne stehe ich für Fragen zur Verfügung, wenn man sich überlegt ein Kaninchen mit Handicap (oder mehrere) aufzunehmen, oder wenn das eigene Kaninchen plötzlich zu einem Handicapkaninchen wird.




© Kaninchenraum im Januar 2015



Folgende Artikel habe ich für den Kaninchenschutz e.V. geschrieben:

"Auch Kaninchen mit Handicap brauchen ein Artgerechtes Zuhause".

"Kaninchen mit Handicap" (erschienen in der Zeitschrift "die Karotte" in der Ausgabe 2014).