Zahllose Kaninchen mit Zahnproblemen bevölkern die Tierarztpraxen. Ob überlange Schneidezähne, Zahnspitzen oder zu lange Backenzähne, viele dieser Probleme können durch eine entsprechende Ernährung behoben oder zumindest gemildert werden. Aber auch gesunde Kaninchen sollten so ernährt werden, dass ein optimaler Zahnabrieb gewährleistet wird, um diesen Problemen vorzubeugen.


                                                     Das Wichtigste in Kürze

- Kaninchen haben 28 Zähne. Diese sind wurzeloffen und wachsen zeitlebens nach.

- Die Backenzähne schleifen sich durch Kaubewegungen gegenseitig ab. Je länger die Kaninchen kauen müssen, desto intensiver der Zahnabrieb.

- Frische Gräser und Kräuter etc. enthalten viel Wasser und sind kalorienarm. Kaninchen müssen größere Mengen fressen um satt zu werden, was einen erhöhten Zahnabrieb mit sich bringt.

- Pflanzen enthalten Kieselsäure, die auf die Zähne wie Schmirgelpapier wirkt. Frische Gräser, Kräuter usw. enthalten mehr Kieselsäure als getrocknete und sind diesen deshalb vorzuziehen.

- Trockenfutter hat fatale Auswirkungen auf die Zahngesundheit, das Verdauungssystem und die psychische Gesundheit von Kaninchen.


                                                        Das Kaninchengebiss

Das permanente Gebiss von Kaninchen umfasst 28 Zähne: 4 Schneidezähne, 2 Stiftzähne, 10 Backenzähne im Unterkiefer, 12 Backenzähne im Oberkiefer.

Die Zähne sind wurzeloffen, d.h. die Zähne wachsen ständig nach, um den Zahnabrieb auszugleichen. Das Zahnwachstum beträgt ca. 2-3 mm pro Woche, wobei die Wachstumsgeschwindigkeit mit fortschreitendem Alter zunimmt und die unteren Backenzähne schneller als die oberen wachsen. Neben genetisch bedingten Zahnanomalien führt eine nicht artgerechte Fütterung dazu, dass das Wechselspiel aus Zahnwachstum und –abrieb aus dem Gleichgewicht gerät.

Die Schneidezähne dienen zum Abbeißen von Nahrung und zum Nagen. Die Schneidezähne des Oberkiefers stehen vor denen des Unterkiefers. Sie haben lediglich an der Vorderseite harten Zahnschmelz, woraus deren Schärfe und die meißelartige Form resultiert.

Die beiden Stiftzähne befinden sich kurz hinter den Schneidezähnen des Oberkiefers. Diese haben keine praktische Funktion, stellen aber ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Hasenartigen, zu denen die Kaninchen gehören, zu den Nagetieren (Meerschweinchen, Ratten etc.) dar. Kaninchen haben keine Eckzähne, weshalb zwischen den Schneide- und Backenzähnen eine große Lücke (Diastema) ist.

Die Backenzähne dienen der Zerkleinerung und dem Zermahlen der aufgenommenen Nahrung. Kaninchen besitzen jeweils 5 untere sowie 6 obere Backenzähne auf jeder Seite.



                                       Nahrungsaufnahme beim Kaninchen

Um Nahrung aufzunehmen beißen Kaninchen zunächst einzelne Bissen ab. Hierfür wird der Bissen durch die aneinander vorbei gleitenden Schneidezähne abgeteilt. Mit Hilfe der Zunge wird das abgebissene Stück gedreht und zwischen die Backenzähne geschoben. Nun wird die Nahrung mittels Mahlbewegungen der Backenzähne zerkleinert. Gekaut wird auf einer Seite, wobei regelmäßig (nach etwa 800 bis 1000 Mahlbewegungen) ein Seitenwechsel durchgeführt wird. Die Kaninchen nehmen neue Bissen auf, wodurch der Nahrungsbrei immer weiter nach hinten geschoben und schließlich abgeschluckt wird.



                                           Zahnabnutzung beim Kaninchen

Zur Abnutzung der Backenzähne kommt es, da diese bei den Kaubewegungen mittels Seitwärtsbewegungen gegeneinander gerieben werden und sich auf diese Weise gegenseitig abschleifen. Deshalb wachsen bei fehlenden oder fehlstehenden Zähnen die „Gegenspieler“ nach, ohne ausreichend abgenutzt zu werden. Die Schneidezähne schleifen sich, ähnlich wie die Backenzähne, beim aneinander vorbei gleiten gegenseitig ab. Ausschlaggebend für die Intensität des Zahnabriebs ist folglich nicht wie früher angenommen der Härtegrad des Futters, sondern die Dauer des Kauvorgangs.

Pellets, Körnerfutter, handelsübliche Snacks, Trockengemüse und –obst oder ähnliche Futtermittel werden von Kaninchen jedoch lediglich mit den Zähnen verquetscht und abgeschluckt. Der für die Zahnabnutzung so wichtige Mahlvorgang der Backenzähne findet bei diesen Futtermitteln nur in absolut unzureichender Weise statt. Zusätzlich verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass diese Futtermittel sehr kalorienhaltig sind und nur geringe Mengen von dem Kaninchen verzehrt werden müssen um eine Sättigung zu erzielen. Auch die Gabe von Pellets, Cobs oder Vergleichbarem mit einem hohen Rohfaseranteil, ist in Anbetracht der Bedeutung der Kaudauer wenig sinnvoll, da nur langfaserige und nicht bereits gemahlene Rohfaser den gewünschten Effekt bringt. Als besonders kritisch sind stark gepresste und somit sehr harte Futtermittel wie Rollis oder ähnliches zu sehen. Diese werden von dem Kaninchen mit den auf Mahlbewegungen ausgerichteten Backenzähnen zerbissen, was zu Schädigungen der Zähne, des Kieferknochens und des Zahnfleischs führen kann.

Abgesehen von den negativen Auswirkungen auf die Zahngesundheit entspricht dieses Futter nicht den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen von Kaninchen. Häufig kommt es zu Störungen des Magen-Darm-Trakts wie beispielsweise Blähungen, Durchfall oder Magenüberladung. Hinzu kommt Übergewicht mit allen Begleiterscheinungen und die Förderung einer breiten Palette von Verhaltensstörungen durch Langeweile.

Als eine weitere bedeutende Ursache für einen Abrieb der Backenzähne ist zu nennen, dass Pflanzen (Gräser, Kräuter, Gemüse, Obst, Rinden usw.) und ihnen anhaftende Schmutzpartikel (Erde, Sand, etc.) Silizium enthalten. Silizium (Kieselsäure) ist härter als Zahnschmelz und wirkt aufgrund seiner kristallinen Struktur während der Kaubewegungen wie Schmirgelpapier. Aus diesem Grund verfügen viele Pflanzenfresser über nachwachsende Zähne. Hierbei handelt es sich um eine evolutionäre Anpassung, da die Zahnabnutzung bei nicht nachwachsenden Zähnen schnell den Tod der Tiere zur Folge hätte.

Vor dem Hintergrund dieser zwei Ursachen für den Zahnabrieb wird deutlich, warum häufig empfohlene harte Futtermittel wie Brot nicht den gewünschten Effekt erzielen. Zum einen muss trockenes Brot nicht lange gekaut werden, da es mit Speichel vermischt schnell zu Brei wird und rasch abgeschluckt wird. Zum anderen ist trockenes Brot nicht härter als Zahnschmelz.

Kaninchen korrigieren ihre Zähne übrigens auch selbst, indem sie Mahlbewegungen mit den Zähnen vollführen. Kleinere Unregelmäßigkeiten können auf diese Weise vom Tier selbst behoben werden.



            Nahrungsmittel mit positiven Effekt auf den Zahnabrieb

Ein optimaler Zahnabrieb wird mit kalorienarmen und langfaserigen/strukturreichen Nahrungsmitteln erzielt, welche einen hohen Anteil an Kieselsäure besitzen.

Am besten geeignet sind frische Gräser und Kräuter. Diese werden lange gekaut, müssen in großen Mengen aufgenommen werden um zu sättigen und enthalten viel Kieselsäure. Frisches Grün ist Heu vorzuziehen, da aufgrund des hohen Wasseranteils größere Mengen gefressen werden müssen und ein Teil der Kieselsäure durch die Trocknung verloren geht. Frische "Wiese" sollte den Kaninchen also täglich in großen Mengen verfüttert werden. Als besonders siliziumhaltige Pflanzen sind Ackerschachtelhalm, Brennnessel, Spitz- und Breitwegerich, zahlreiche Knöteriche (z.B. Vogelknöterich), Hohlzahn und Lungenkraut zu nennen.

Beim Gemüse sollte vornehmlich Blattgemüse (z.B. Möhrengrün, Kohlrabiblätter, Blumenkohlblätter, Chinakohl) gereicht werden. Im Winter kann Blattgemüse ersatzweise für frisches Wiesengrün gereicht werden. Wurzelgemüse hingegen ist verhältnismäßig kalorienreich und enthält weniger Silizium. Es ist also geeignet für Kaninchen in Außenhaltung während des Winters, da diese einen erhöhten Energiebedarf haben. Fenchel oder eine geringe Menge Kümmelsamen können zusätzlich gegeben werden, um Blähungen vorzubeugen.

Das Heu sollte qualitativ sehr hochwertig sein und den Kaninchen ständig zur Verfügung stehen. Wichtig ist, dass es sich um Heu vom ersten Grasschnitt handelt. Dieses enthält strukturreiche und holzartige Grashalme, welche lange gekaut werden müssen. Der zweite und alle weiteren Grasschnitte sind nährstoffreicher und enthalten weniger Raufaser. Zu erkennen sind sie an der intensiveren und dunkleren grünen Farbe und der weicheren Struktur. Sie werden zwar von Kaninchen sehr gerne gefressen, sind für diese aber aus genannten Gründen nur in Kombination mit Heu aus dem ersten raufaserreichen Schnitt empfehlenswert. Das Heu sollte einen hohen Anteil an getrockneten Kräutern und einen geringen Anteil an hochgezüchteten Gräsern haben.

Abgerundet wird das Nahrungsangebot mit frischen Zweigen und Ästen. Mit diesen können sich die Kaninchen stundenlang beschäftigen, was Langweile und daraus resultierenden Verhaltensstörungen vorbeugt.


                                               Wichtige Anmerkungen

Die grundsätzlichen „Fütterungsregeln“ gelten natürlich auch hier:

- Die Kaninchen langsam an neue Futtersorten gewöhnen und darauf achten, wie es vertragen wird. Insbesondere Kohl und Salat sehr langsam anfüttern.

- Je vielfältiger die Fütterung, desto eher kann eine Über- oder Unterversorgung an Mineralien und Vitaminen vermieden werden. Auf keinen Fall beispielsweise einzelne besonders siliziumhaltige Pflanzenarten in großen Mengen anbieten. So führt Ackerschachtelhalm in kleinen Mengen verfüttert zu einem sehr guten und gleichmäßigen Zahnabrieb, kann in rauen Mengen verfüttert aber zu neurologischen Ausfällen führen. Jede Form der einseitigen Ernährung kann zu Problemen führen. Deshalb auf ein abwechslungsreiches und vielfältiges Angebot achten!

- Jeden Tag eine große Auswahl verschiedener Futtersorten anbieten. Bitte nicht täglich nur eine Sorte füttern und dann wechseln (z.B. montags Karotten, dienstags Fenchel, ...).

- Auch Kaninchen sind Individualisten. Nicht jedes Kaninchen verträgt diese Form der Fütterung problemlos. Insbesondere bei Tieren, die lange Zeit falsch gefüttert wurden, treten teilweise Unverträglichkeiten auf. Diese äußern sich beispielsweise in Form von Durchfall oder Blähungen. Bei diesen Kaninchen bitte die Umstellung besonders langsam und vorsichtig vollziehen und die Futtersorten, die Probleme bereiten weglassen.




Quellen:
www.birgit-drescher.de/meerschweinchen01.html
www.chinchilla-scientia.de/index.php?id=329
www.hauskaninchen.com
www.kaninchenwiese.de
www.kaninchen-wuerden-wiese-kaufen.de
www.zinra.de/hoppelse/haltung/krankheiten/#Zahn

 

 

 

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung!